Alles zu seiner Zeit

Ich glaube ja, dass vieles einfach den richtigen Zeitpunkt braucht, damit es sein kann, wie es soll. Ein solcher Zeitpunkt war am Sonntag für mich.

Ich hätte nicht gedacht, dass sowas passieren könnte, zumal ich mit meinen Emotionen eigentlich recht gut umgehen kann (mit den meisten zumindest). Doch Sonntag war ich so neben der Spur, dass es mir extrem schwer fiel, mich zu sortieren. Dabei waren keinerlei äußere Umstände beteiligt, sondern mein persönliches Emotionsgefüge war einfach völlig durcheinander geraten.

Ich hab immer wieder gemerkt, dass mich in manchen Situationen meine Emotionen eingeholt und überwältigt haben. Das war irgendwie wellenartig und meistens ging es mir nach dem Zulassen besser. Doch dieses Mal war die Welle so groß, dass sie mich schlicht überspült hat. Ich hatte das Gefühl, erdrückt zu werden. Ich spürte tatsächlich körperlichen Schmerz und Druck und kriegte das weder kanalisiert noch anders zum Ausdruck gebracht. Sowas führt dann immer dazu, dass ich unsicher werde, dazu neige, mich zu verkriechen und anderen Leuten mit meinen Problemen nicht auf die Nerven gehen zu wollen. Etwas, was ich eigentlich besser wissen sollte, aber so manch altes Muster lässt sich doch nicht komplett einfach so abstreifen.

Ich war höchst angespannt, völlig nervös und total neben der Spur. Ich stand neben mir, merkte das aber nicht. Vor allem merkte ich nicht, wie sehr ich neben mir stand. Doch mein Denken ließ mich nicht ganz im Stich. Mein Gehirn offerierte mir zwei Optionen: verkriechen (und irgendwie weitermachen bis zum nächsten Kollaps) oder rauslassen (von dem ich erfahrungsgemäß wusste, dass das hilft). Ich habe mich für die zweite Variante entschieden.

Ich habe mich also ins Auto gesetzt und bin dorthin gefahren, wo ich schon sehr lange hätte hinfahren sollen: ich habe meine Mutter besucht.

Seit der Beerdigung im Mai bin ich nicht mehr dort gewesen. Und ich spürte einfach den Druck der Trauer, der raus musste. Zwei Stunden Fahrt plus eine Stunde, um den Ort wiederzufinden. Meine Mutter ist in einem Friedwald bestattet und leider ist die Karte des Waldes falsch lokalisiert (der ausgewiesene Standort ist nicht da, wo die Karte steht), dass ich erstmal falsch gelaufen bin. Aber ich habe meine Mutter dann gefunden. Und ich blieb eine Stunde dort.

Eine Stunde, die mir half, mir alles von der Seele zu reden, was darauf brannte und mich lähmte. Alle Sorgen, Nöte und Gefühle loslassen. Frei werden. Es war genau die richtige Entscheidung und im Nachhinein muss ich sagen, ich hätte schon viel früher da sein müssen.

Die Sorge um meinen Geburtstag erdrückt mich nun nicht mehr so sehr. Ja, weg ist sie nicht, allerdings ist das Gefühl ein anderes. Was vorher Angst und Befürchtung war, hat sich nun in etwas verwandelt, was man vielleicht am ehesten mit „gefasster Entschlossenheit, aber dabei traurig“ beschreiben könnte.

Sehr geholfen haben auch zwei Arme, für die ich so unendlich dankbar bin. Sie waren da, hielten mich und spendeten den Trost, den ich so dringend brauchte.

Ich bin sortierter, kann wieder klarer sehen und bin gewappnet für meinen Geburtstag, den ich dieses Jahr zum ersten Mal ohne meine Mutter bestreiten muss. Ja, ich bin traurig und ja, es tut weh. Aber ich bin nicht allein. Und das ist wichtig!

 

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